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Strahlfäule beim Pferd

Strahlfäule - die schleichende Gefahr


Fast jeder Pferdehalter kommt im Laufe seines Reiterdaseins mindestens einmal mit dem Thema Strahlfäule in Kontakt. Bei der Strahlfäule handelt es sich um eine primär bakteriell bedingte Erkrankung, die zu Zersetzungsprozessen im Bereich des mittleren Strahls führt. Diese degenerativen Prozesse können sich unbehandelt weiter in die seitlichen Strahlfurchen und im fortgeschritteneren Stadium auch auf das deutlich festere Horn von Sohle und Hufwänden ausweiten. Häufig kommt es zur Taschenbildung, es entstehen teils tiefe Furchen und feinste Risse, die den Bakterien einen optimalen Nährboden bieten.


​​​Verantwortlich für diese Prozesse sind Fäulniserreger und sogenannte Spindelbakterien. Hauptübeltäter ist das „Fusobacterium necrophorum“, ein Verdauungsbakterium, das fortwährend vom Pferd ausgeschieden wird und sich daher nahezu überall in der Umwelt befindet. ​​Gerade bei mangelnder Stall- und Hufhygiene haben die Fäulnisbakterien dann ein leichtes Spiel. Viele Pferdebesitzer nehmen das Problem erst wahr, wenn es zu deutlichen Geruchsveränderungen kommt. Erste Hinweise werden meist ignoriert oder nicht erkannt, so dass erst im fortgeschrittenen Stadium etwas unternommen wird. Meist ist das der Zeitpunkt, an dem sich das Horn fetzenweise ablöst, porös und weich wird und schmierige, stark faulig riechende Stellen sichtbar werden. ​​In Fällen, in denen auch das weiche Ballenhorn betroffen ist, können sich sogenannte Strahlfäuleringe bilden. Es kommt zu einer Entzündung der Saumlederhaut, die sich vom Ballen ausgehend über die Seiten- zur Vorderwand erstreckt. Während des akuten Entzündungsgeschehens produziert der Organismus wesentlich weicheres Horn. Diese Zeitspanne ist dann später als schnurartiger Ring auf der äußeren Hornwand zu erkennen. Der Fäulnisring zieht sich im spitzen Winkel vom Kronsaum zur Trachtenwand. ​​Je nach Höhe und Ausprägung des Rings können so Rückschlüsse über den Beginn und die Dauer einer Strahlfäule gezogen werden. Auch die weiße Linie kann von Fäulnis betroffen sein, in diesem Fall spricht man von Hornfäule. Im späteren Stadium kann es zu einer teilweisen oder vollständigen Auflösung des Strahls kommen. Je weiter die Strahlfäule fortschreitet, desto dünner wird die Huflederhaut schützende Hornschicht. In Extremfällen kann die Huflederhaut komplett freiliegen. Es kommt zu Lederhautreizungen und Lederhautentzündungen, welche meist starke Lahmheiten hervorrufen.



Strahlfäule darf niemals unterschätzt werden!
Unbehandelt kann Huffäule zum Teil irreversible Schädigungen an den tiefer liegenden Strukturen hervorrufen!!


Mögliche Ursachen von Strahlfäule


Die Ursachen können entweder lokal sein, d. h. meist der Umwelt (Hygiene und Haltung) geschuldet, systemisch bzw. stoffwechselbedingt sein oder an einer fehlerhaften Hufbearbeitung oder unpassenden Bearbeitungsintervallen liegen. Oftmals gibt es nicht nur einen Übeltäter, der für die Entwicklung einer Strahlfäule verantwortlich gemacht werden kann, meist treffen mehrere begünstigende Faktoren aufeinander.


Eine große Bedeutung kommt der Stall- und Hufhygiene zu. So ist auffällig, dass sich gerade in den nasskalten Jahreszeiten die Fälle von massiver Strahlfäule häufen. Matschige, immer feuchte Böden, eine mangelnde Boxenhygiene und Mistmatratzen bieten ideale Voraussetzungen für die Entwicklung einer Strahlfäule. Doch ist die anhaltende Feuchtigkeit tatsächlich verantwortlich für die Fäulnisentwicklung am Strahl? Um diese Frage zu klären, sollten erst einmal einige grundlegende Dinge klar sein. Fakt ist, dass sich die fäulniserregenden Bakterien an feuchtwarmen Orten am wohlsten fühlen. Kommt es dann zusätzlich zu einem möglichst hohen Sauerstoffausschluss, sind die Grundbedingungen für einen idealen Lebensraum geschaffen. Dennoch ist ein feuchtes Milieu kaum allein ursächlich für die Entstehung der Strahlfäule. Innerhalb der Strahlfurchen befinden sich Schweißdrüsen, die ein leicht feuchtes Klima innerhalb dieser Stellen gewährleisten. Dies ist zum einen wichtig, um die Elastizität des weichen Strahlhorns aufrecht zu erhalten. Zum Anderen bietet dieses Milieu auch den überall vorkommenden Säurebakterien einen geeigneten Lebensraum. Diese sind bekanntlich wichtig, um auf der Oberfläche vorkommende Krankheits- und auch Fäulniserreger abzutöten (Sauerkraut wird durch Säurebakterien haltbar gemacht). In den engen Strahlfurchen ist es wichtig, dass das Horn regelmäßig abgestoßen wird, um einen Engpass durch das nachschiebende, neue Horn zu verhindern. Dies erfolgt, indem die Säurebakterien das alte Horn zersetzen und dann abstoßen. Ein milder, leicht säuerlicher Geruch von Strahl und Huf ist in der Regel also absolut harmlos und natürlich. Kippt der Geruch jedoch ins modrig-faulige um, ist das Strahlmilieu offensichtlich aus dem Gleichgewicht geraten. Um nun die alte Frage zu beantworten: Feuchtigkeit allein ist nicht ausschlaggebend. Das Hauptproblem findet sich in den Stallungen, in denen die Tiere Stunden und Tage auf den gleichen, nicht nur feuchten, sondern vor Allem dreckigen und oftmals ammoniakbelasteten Böden stehen. Die Kombination ist dann wiederum sehr förderlich für die Ansiedelung der Fäulnisbakterien. Gerade bei Matratzenhaltung finden Fäulniserreger einen hervorragenden Lebensraum. Sie zersetzen Kot und Urin. Das dabei entstehende Ammoniak greift die Hufstruktur an und verursacht feine Risse im Hufhorn, in denen sich wiederum Keime ansiedeln.



Stukturen im Überblick:

  1. Tragrand

  2. Sohle

  3. Eckstrebe

  4. Strahl

  5. mittlere Strahlfurche

  6. seitliche Strahlfurche

  7. Trachte

  8. Blättchenschicht/weiße Linie




Die Hauptursache für die Entstehung der Strahlfäule liegt jedoch, wie übrigens auch bei vielen anderen Huferkrankungen (Hufrehe, Hufkrebs etc.), in "Durchblutungsstörungen". Auffällig ist, wie viele an Strahlfäule leidende Pferde eine suboptimale Hufbalance aufweisen. Auch kleinste Fehler in der Hufbearbeitung können dazu führen, dass das Strahlhorn übermäßige, andauernde Druckimpulse bis hin zu Quetschungen erfährt und somit die Blutzirkulation lokal gestört ist. Ein besonders hohes Risiko haben zu Zwanghufen neigende Pferde. Beim Zwanghuf gerät der Strahl durch die umliegenden Hornbereiche bzw. insbesondere durch die engen Trachtenwände massiv unter Druck. Der gesamte Strahlbereich und alle darunter liegenden Strukturen, d. h. die Strahllederhaut und das Strahlkissen werden dabei zusammengepresst. Die mittleren und seitlichen Strahlfurchen werden dabei zu schmalen, tiefen Schlitzen. Besonders Pferde mit sehr steil angelegten Seitenwänden neigen zu Zwanghufen und auch innerhalb einiger Rassen lässt sich diese Fehlstellung gehäuft beobachten. Zwanghufe entwickeln sich meist aus einer ungleichmäßigen Lastverteilung zwischen Trachten- und Zehenbereich. Achtet der Hufbearbeiter hier nicht penibel genau darauf, dass Länge und Winkel der Zehe stimmen (zu lang, zu schräg), kann es schnell zur Überbelastung im Bereich des hinteren Trachtenbereichs kommen. Können die Trachten dem Druck nicht mehr standhalten, „rollen“ sie sich irgendwann ein, schieben unter und quetschen den Strahl von außen regelrecht zusammen. Das Resultat sind enge und tiefe Strahlfurchen, die den Fäulnisbakterien einen idealen Angriffspunkt bieten. Auch das alte Strahlhorn kann dann nicht mehr abgestoßen werden. Zusammen mit den fäulniserregenden Keimen verbleibt es in den engen Furchen und bildet eine zähflüssige, faulige Masse, die zu gravierenden Schäden an den Lederhäuten führen kann. Bleibt dieser Zustand unbehandelt kann sich die Situation im schlimmsten Fall zu Hufkrebs entwickeln.



Bewegung ist oftmals die Grundlage für gesunde Hufe!


Neben der Hufbearbeitung und den äußeren Hygieneumständen spielt auch der gesamte Stoffwechsel eine entscheidende Rolle. Vor allem Blutzirkulation, Nährstofftransport und Lymphsystem sind direkt abhängig von der Bewegung. Ob es „DEN Hufmechanismus“ gibt oder nicht, das sei hier einmal dahingestellt. Aufgrund der fehlenden Venenklappen in den unteren Extremitäten gibt es keine direkte Verbindung zwischen Hufmechanismus und Venenrückfluss bzw. Blutversorgung. Fakt ist jedoch dass durch regelmäßige Druckimpulse, die der Huf und insbesondere das Strahlpolster in der Bewegung erfährt, der Organismus dazu veranlasst wird, den Stoffwechsel hochzufahren, den Lymphfluss und Abtransport von Abfallprodukten anzuregen und das Gewebe vermehrt mit Blut und Nährstoffen zu versorgen. Auch die Hornproduktion wird zu großen Teilen durch die vom Boden kommenden Reize gesteuert und beeinflusst. Lange Stehzeiten fördern eine minderwertige Huf- und Hornqualität und reduzieren die Durchblutungs- und Osmoserate im Gewebe. Stehen die Pferde dann zusätzlich auf schmutziger, feuchtwarmer Einstreu (Kot und Urin fördert die Bildung von gasförmigem Ammoniak) schwächt das zusätzlich die Widerstandfähigkeit des Strahls und der Huf wird anfälliger für Fäulnisprozesse.



Stoffwechsel und Fütterung


Wie auch bei anderen Huferkrankungen (Hufrehe und Hufkrebs), kann auch Strahlfäule organische Ursachen haben. Diese liegen meist in einer suboptimalen Futterzusammensetzung, einer unzureichenden oder auch übermäßigen Vitamin- und Mineralstoffzufuhr. Bei der Behandlung der Strahlfäule sollte sich der Pferdehalter nicht vom Grundsatz „viel hilft viel“ leiten lassen. Jede Dysbalance und Verschiebung im Nährstoffhaushalt kann den Organismus und insbesondere die Leber belasten. Viel sinnvoller ist es, Defizite exakt zu bestimmten und gezielt auszugleichen. Auch ein etwaiger Zink-, Schwefel- oder Biotinmangel sollte untersucht und gegebenenfalls behoben werden, da diese Stoffe für die Produktion von qualitativ hochwertigem Hufhorn nötig sind. Zudem sollte ein Übermaß an Kohlenhydraten und Proteinen vermieden werden und einem eventuellen Übergewicht mit Hilfe einer langfristigen Ernährungsumstellung entgegen gewirkt werden.


Behandlungsmöglichkeiten bei Strahlfäule


Leidet Ihr Pferd an Strahlfäule gilt es alle verantwortlichen Faktoren ausfindig zu machen. Im ersten Schritt sollte die Hufbearbeitung überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Eine physiologische Hufsituation ist das A und O für jede weitere Behandlung. Dazu zählt auch die korrekte Bearbeitung und regelmäßige Korrektur von zu Zwanghufen neigenden Kandidaten. Das kann im Einzelfall auch bedeuten, die Bearbeitungsintervalle zumindest in der akuten Phase deutlich zu verkürzen. Die individuell perfekte Hufbalance bildet die Basis für alle weiteren Behandlungsschritte. Wird eine fehlerhafte Hufstellung nicht korrigiert, ist alles weitere reine Symptombehandlung und wird langfristig keinen anhaltenden Erfolg bringen. Ein kompetenter Hufbearbeiter wird nach der gründlichen Reinigung des Hufs versuchen, schonend das faulige Strahlhorn und etwaige Taschen zu entfernen. Dies sollte jedoch immer mit Bedacht geschehen, da es bei starker Fäulnis schnell zu Blutungen und schmerzhaften Verletzungen des darunterliegenden Gewebes kommt. Anschließend werden die betroffenen Stellen mit milden desinfizierenden, antibakteriell wirkenden Mitteln behandelt. Zudem sollten alle Sauerstoff ausschließenden Maßnahmen vermieden werden, das impliziert insbesondere auch sogenannte orthopädische Hufbeschläge. Diese sind in der Regel absolut kontraproduktiv. Die Platte über der Sohle fördert den Sauerstoffausschluss, welcher das Bakterienwachstum fördert und polsternde Unterfüllungen können zusätzlichen Druck auf das ohnehin bereits angegriffene Hornmaterial ausüben, wodurch es häufig zu einer Reizung des Gewebes kommt. Weitere Schäden sind dann vorprogrammiert.


Bei leichter Strahlfäule kann es ausreichend sein spezielle desinfizierende und antibakteriell wirkende Mittel auf die betroffenen Stellen zu applizieren (z. B. Barynesse Spüllösung, Strahlpflegegel & Huf- und Klauenpaste). Bei besonders tiefen und für das Pferd schmerzhaften Strahlfurchen hat es sich bewährt, die betroffenen Stellen regemäßig mit einem Stück Verbandsmull auszutamponieren. Durch den leichten Druckimpuls können die Hornbildung angeregt und Neu- bzw. Sekundärinfektionen vorgebeugt werden. Diesen Vorgang sollten Sie solange täglich wiederholen, bis eine deutliche Besserung sichtbar wird.


Folgendes sollte zusätzlich beachtet werden:


  • Achten Sie unbedingt darauf, keine gewebeschädigende, austrocknende oder ätzenden Präparate wie Kupfersulfat, Essigsäure oder Jodoformäther zu verwenden. Sie trocknen nicht nur den Huf aus, es bilden sich vermehrt kleine Risse, die wiederum den Bakterien neue Eintrittspforten eröffnen. Zudem können ätzende Präparate die oftmals offenliegenden Lederhäute noch mehr reizen und schlussendlich den Heilungsverlauf negativ beeinflussen oder sogar verhindert. Die Verwendung derartiger Mittel beim Pferd ist nicht nur schmerzhaft, sondern kann auch gefährlich und sogar krebserregend sein. Auch vom leider immer noch empfohlenen Hufteer ist unbedingt abzuraten. Er sorgt für einen Sauerstoffausschluss und fördert somit das Bakterienwachstum. Außerdem sollten Sie von den oftmals im Internet propagierten "Hausmittelchen" wie Mundwasser, Zahnpasta, Wasserstoffperoxid oder Spiritus Abstand zu nehmen.. Diese Produkte sind für den Pferdehuf und zur Behandlung von Strahlfäule nicht geeignet!


Schmerzhafte und zudem noch veraltete Behandlungsmethoden bei Strahlfäule sollten von jedem Pferdebesitzer, Therapeuten, Hufbearbeiter und/oder Tierarzt strikt abgelehnt werden! Sie widersprechen nicht nur jeglichem Tierschutzgedanken, sondern sind aus (moderner) medizinischer Sicht ungeeignet und meist auch kontraproduktiv.

  • Überdenken Sie die Haltungsbedingungen. Steht ihr Pferd auf sauberer, trockener Einstreu? Wird regelmäßig gemistet? Auf welchen Untergründen bewegt sich ihr Pferd während des Tages? Zusätzlich zur Stallhygiene kann auch das regelmäßige Auswaschen des Hufs mit klarem Wasser empfehlenswert sein. Auf jeden Fall sollte der Huf vor jeder Behandlung mit diversen milden Behandlungs- und Pflegemitteln gründlich gereinigt werden.


  • Die Prophylaxe erfordert ähnliche Vorgehensweisen wie die Behandlung einer bereits entstandenen Strahlfäule. Wichtig ist auch hierbei eine regelmäßige, angepasste Hufbearbeitung, eine regelmäßige Reinigung und Pflege des Hufs, trockene und hygienische Stall- und Umweltverhältnisse und das Erarbeiten eines individuell angepassten Futterplans.

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